Generation 21

Entwürfe

Urbanes Quartier Stuttgart Nord

 

Leitbegriffe wie „urbanes Quartier“ und „produktive Stadt“ thematisieren neue Kombinationsmöglichkeiten von Wohnen und Arbeiten. Sie skizzieren die Wiederentdeckung der Stadt als durchmischten und vernetzten Lebensraum einer vielschichtigen urbanen Gesellschaft. Durch die Industrie 4.0 verschieben sich Grenzen zwischen Typologien in Architektur und Freiraum und eröffnen auf Grund ihrer sauberen und effizienteren Produktionsabläufe und Wertschöpfungsketten neue Synergien mit dem Wohnen. Doch welches Bild von Stadt, welche Alltagsräume fördern Innovation und lassen Stadt wieder produktiv werden? Welche Rolle spielt dabei ein lebendiges und attraktives Umfeld und wie beeinflussen neuartige Firmenkonzepte die zukünftige Identität von Stadtquartieren?

 

Mit diesen Fragen befassten wir uns am letzten innerstädtischen Filetstück Stuttgarts – dem Gebiet um die Wagenhallen in Stuttgart Nord. Das durch die Planungen von Stuttgart 21 viel diskutierte Bahnareal bietet in seiner Mehrdeutigkeit, Ambivalenz und Vielfalt Chancen für die Entwicklung eines neu gedachten Quartiers. Dabei arbeiteten wir an der Schnittstelle zwischen Architektur und Städtebau. Zunächst entwarfen wir ein robustes städtebauliches Gerüst und näherten uns dann über die Typologie der konkreten Architektur, die dies ermöglicht.

 

SI | Städtebau-Institut – Lehrstuhl für Stadtplanung und Entwerfen
Prof. Dr. Martina Baum

Christiane Kolb

Sascha Bauer

 

IRGE | Institut für Raumkonzeptionen und Grundlagen des Entwerfens
Prof. Markus Allmann

Bettina Klinge

 

Studierende:

Ender Cicek, Leon Vohl, Philip von Rüdiger, Dipayan Bhowmik, Annemei Sofia Gerst, Theresa Huber, Anna-Lea Rohrbach, Johannes-Andreas Rau, Julian Lipp, Richard Königsdorfer, Paul Vogt, Stefan Keller, Luis Seider, Viviane Peiseler

 

 

Ergebnisse und Wettbewerb zum Entwurf Urbanes Quartier Generation 21 Stuttgart Nord
Preisgericht vom 27.07.2017

 

Ausgelobt von der

Robert Bosch GmbH, Stuttgart; Herr Dr. Michael Jantzer

 

in Kooperation mit den Instituten der Universität Stuttgart

 

SI | Städtebau-Institut – Lehrstuhl für Stadtplanung und Entwerfen
Prof. Dr. Martina Baum, Christiane Kolb, Sascha Bauer

 

IRGE | Institut für Raumkonzeptionen und Grundlagen des Entwerfens
Prof. Markus Allmann, Bettina Klinge

 

Juryvorsitzender:

Prof. Andreas Quednau (Leibniz Universität Hannover)

Jurymitglieder:

Robin Bischoff (Vorstand Kunstverein Wagenhalle e.V., Stuttgart)

Albert Fischer (Robert Bosch GmbH, Stuttgart)

Matthias Hahn (Bürgermeister a.D. für Städtebau und Umwelt, Stuttgart)

Dr. Michael Jantzer (Robert Bosch GmbH, Stuttgart)

Olga Ritter (Ritter Jockisch Architektur, München)

Gerko Schröder (TH Treibhaus Landschaftsarchitektur, Hamburg)

Prof. Stefan Werrer (FH Aachen)

 

 

Beurteilungstexte der Jury und die Preisgerichtsentscheidung sind nachfolgend den einzelnen Projekten zugeordnet.

 

 

 

Projekt 001
Titel: Stadträume
Verfasser: Richard Königsdorfer und Paul Vogt
Preis: 1. Preis

Die Arbeit „Stadträume“ stellt auf den ersten Blick eine brutale Intervention und Setzung im Stadtraum dar, die jedoch beim genaueren Hinsehen subtil auf das Umfeld reagiert und sich durch eine clevere Ausarbeitung im Detail auszeichnet. Der harte Kontrast zwischen lebendigen Höfen und grünem Umfeld erscheint reizvoll wie fremdartig.

Die vorgeschlagene Typologie der in Reihe geschalteten, miteinander verknüpften Doppelhöfe erinnert an Berliner Gewerbehöfe und wird als ein innovatives, robustes Grundgerüst für die gewünschte Nutzungsmischung in einem urbanen Quartier gesehen.

Abschnitte mit unterschiedlicher Gebäudetiefe reagieren gut auf den Kontext und eröffnen vielfältige Nutzungsmöglichkeiten und Flexibilität. Durch die Öffnung des Rahmens an besonderen Anschlusspunkten zum Bestand, wie zum Trichterplatz oder an den Wagenhallen entstehen spannende Orte des Austauschs. Die wiederkehrenden, gleich großen Höfe bieten geeigneten Raum zur Aneignung, werfen jedoch Fragen hinsichtlich des Grads der Versiegelung sowie der Strukturierung von Öffentlichkeit, Gemeinschaftlichkeit und Privatheit auf.

Insgesamt wird die Arbeit als ein innovativer Diskussionsbeitrag für ein gemischt genutztes urbanes Quartier an einem besonderen Ort mit komplexen Rahmenbedingungen gewürdigt.

Projekt 002
Titel: Urbanes Quartier Stuttgart Nord: Pate 4.0
Verfasser: Julian Lipp und Johannes-Andreas Rau
Preis: 1. Preis

Der erweiterte Titel der Arbeit „Pate 4.0“ weckt die Neugier der Jury. Für die Entwicklung des neuen Stadtteils schlagen die Autoren ein „konzeptgebundenes Vergabesystem der Grundstücke“ vor, das in der Umsetzung der Ambivalenz des Titels gerecht werden könnte.

Die Beschäftigung mit den Akteuren und Prozessen von Stadtentwicklung wird begrüßt und führt zu einem eigenständigen Ansatz, der dem Ziel, ein modellhaftes Szenario für ein neues städtisches Quartier zu entwickeln, entspricht.

Grünräume entlang der alten Gleislinien umrahmen den neuen Stadtteil und verbinden ihn mit den benachbarten Parkanlagen – gleichzeitig wird die Insellage beibehalten, die die partikulare, introvertierte Struktur betont.

Die Fläche zwischen den ehemaligen Gleisanlagen wird von einem Pattern aus Plätzen und kompakten monolithischen Baukörpern bedeckt, die eine realistische, homogene bauliche Dichte erzeugen. Eine zentrale Erschließungsachse und Baufeld-gliedernde Querverbindungen zu den benachbarten Stadtteilen treten in den Hintergrund und überlassen Auto, Radfahrern und Fußgängern einen hierarchielosen „shared space“. Gemeinschaftsflächen im Erdgeschossbereich und auf Dachterrassen sowie gemeinsam genutzte Gästebereiche senken den individuellen Platzbedarf zugunsten sozialverträglicher Wohnkosten.

Die Gliederung und die differente Gestaltung der öffentlichen Bereiche, Höfe und Gebäude soll durch die Aneignung der Benutzer entstehen und in ihrer Vielfalt ein nachbarschaftliches Netzwerk abbilden.

Das „urbane Biotop“, das sich die Autoren für jedes einzelne Gebäudeensemble wünschen, hätte ein assoziativer Titel für die Arbeit sein können

Projekt 003
Titel: Heimat
Verfasser: Ender Cicek und Leon Vohl
Preis: Anerkennung

Das Projekt „Heimat“ fasziniert durch seine große Bandbreite von der Auseinandersetzung mit der Philosophie Adornos und ihrer Übertragung in einen Stadtbaustein für Wohnen und Arbeiten bis hin zur gelungenen Darstellung attraktiver räumlicher Atmosphären.

Über eine eigenständige Interpretation bekannter typologischer Elemente entsteht eine quadratische Blockfigur mit einem drei- bis viergeschossigen Rand für gewerblichen Nutzungen und einer mittig angeordneten fünf- bis sechsgeschossigen Wohnstruktur aus zusammengesetzten Kreisformen. In der Kombination mehrerer dieser Blöcke entstehen interessante kleinteilige Zwischenräume mit einer hohen Alltagstauglichkeit.

Auch wenn hinsichtlich der Maßstäblichkeit und insbesondere des Umgangs mit dem Ort durch die reine Addition der Blockfiguren Fragen bleiben, bildet die Arbeit dennoch einen sehr eigenständigen und offensichtlich mit viel Leidenschaft ausgearbeiteten Beitrag zu einem Quartier für die Generation 21 und regt so zur weiteren Diskussion nicht nur über mögliche spätere Aneignungsprozesse an.

 

 

 

Projekt 004
Titel: Stadthaus 2.0
Verfasser: Theresa Huber
Preis: Anerkennung

Die Verfasserin weist zwei sehr unterschiedliche Baufelder aus. Mit der Aufnahme des historischen Motives der Gleisanlagen wird ein nachvollziehbarer Bezug zum Ort geschaffen. Die daraus abgeleitete kleinteilige Stadthausstruktur mit den differenzierten Erschließungen für Fußgänger- und Fahrverkehr wird als Grundidee anerkannt, weist aber nicht in Richtung innovativer Ansätze im Umgang mit dem Thema. Sie führt bei der Zuordnung von Funktionen eher zu Zufälligkeiten, auch bei der Gestaltung der Außenräume.

Der Vorschlag einer großformatigen Hallenstruktur mit offenen Bereichen im Zusammenspiel mit den Wagenhallen ist nachvollziehbar. Die Zusammenführung der Hallenstruktur mit der kleinteiligen Stadthausstruktur ist in der geometrischen Ausformung gestalterisch jedoch nicht vollends befriedigend.

Insgesamt stellt der Beitrag vor allem einen interessanten Ansatz zur Auseinandersetzung mit dem Ort dar. Innovation wird allerdings vermisst.

 

Projekt 005
Titel: Habitat Nord
Verfasser: Philip von Rüdiger
Preis: Anerkennung

Die Arbeit „Habitat Nord“ zeichnet sich durch einen sensiblen Umgang mit der aktuellen Situation vor Ort aus. Anstatt der Aufgabenstellung zu folgen und ein urbanes Quartier mit entsprechend dichter Bebauung zu entwickeln, liegt der Fokus auf der Weiterentwicklung der Qualitäten der Außenflächen und der vorgefundenen Nutzung oder Bebauung.

Sowohl informell angeeignete Räume durch Künstler oder Urban Gardening, das Waggon-Atelier-Projekt auf Schienen, die Container City der Künstler, Flächen die sich die Natur zurückerobert hat, das zurückgebliebene Betonwerk oder eine große Beton-Fläche finden Berücksichtigung in einem prozessual entwickelten Freiraum. Das Gebiet wird zu einem Freiraum und Experimentierraum, einem Arbeits- und Freizeitraum, einem Inspirations- und Werkpark. Vorgefundene Strukturen werden umgenutzt und zweckentfremdet, weiterentwickelt, transformiert und im großen Umfang angeeignet. In den heterogenen rauen Freiraum werden vier pavillonartige Gebäude integriert, die in einer um einen Hof angeordneten Laubengangtypologie Flächen zum Wohnen und Arbeiten bieten. Die Gebäude fügen sich durch das lichte Erdgeschoss gut in den Freiraum ein.

Bei einer immobilienwirtschaftlichen Betrachtung erscheint der Beitrag aufgrund der vorgeschlagenen Dichte an diesem Standort jedoch kaum realisierbar. Das vorgeschlagene „Habitat Generation 21“ ist dennoch ein innovativer Beitrag für die Stadt- und Freiraumentwicklung der Region und der Stadt Stuttgart.

 

Universität Stuttgart
SI Städtebau-Institut
Lehrstuhl für Stadtplanung und Entwerfen
Prof. Dr. Martina Baum
Prof. Markus Allmann (IRGE)
Bettina Klinge (IRGE)
Sascha Bauer
Christiane Kolb

Studierende: Ender Cicek, Leon Vohl, Philip von Rüdiger, Dipayan Bhowmik, Annemei Sofia Gerst, Theresa Huber, Anna-Lea Rohrbach, Johannes-Andreas Rau, Julian Lipp, Richard Königsdorfer, Paul Vogt, Stefan Keller, Luis Seider, Viviane Peiseler, Anna Frank, Claudia Deppe