Quartiere und Widersprüche

Entwürfe

Konzeptioneller Entwurf einer Stadterweiterung

 

Städte sind die bauliche Interpretation einer Stadtgesellschaft und derer politischer, kultureller und wirtschaftlicher Entwicklung. Basis hierfür ist die Dichte, Vielfalt und Mischung an Menschen, Nutzungen und Räumen. Durch diese Dichte wird Stadt aber auch zum enormen Ressourcenverbraucher an Energie, Gütern und Arbeitsleistung und zum Ort an dem Unterschiedliches aufeinandertrifft, Unterschiede deutlich sichtbar und Konflikte erlebbar werden. Stadt ist geprägt von dieser Ambivalenz.

 

Vor diesem Hintergrund entsteht beim Entwurf „Quartiere und Widersprüche“ ein Stadtteil der Gegensätze. Ein Gebiet am Rande von Stuttgart, wo Bad Cannstatt und Fellbach aufeinandertreffen, dient uns hierfür als Testfeld und wir kreieren ein Nebeneinander und Miteinander unterschiedlicher Quartiere. Das Programm der Quartiere wird von widersprüchlichen Interessen jeweils zweier Akteure bestimmt. Ziel ist es, für beide Parteien ein möglichst ideales Quartier zu schaffen, indem man Schnittstellen und Befruchtungsmöglichkeiten herausarbeitet und in einen räumlichen Entwurf übersetzt. Die verschiedenen Interessen einer Stadt werden dekonstruiert, neu zusammengesetzt und in der Gesamtheit aller Quartiere sichtbar gemacht. Ziel ist die Schaffung von Quartieren, die nicht der kleinste gemeinsame Nenner aller Akteure sind, nicht generisch, nicht bereinigt, nicht bequem. Sondern Quartiere, die anregen, inspirieren, die Reibung erzeugen und Interaktion anstoßen, aus der gesellschaftliches Leben und inklusive, produktive, urbane Städteräume hervorgehen.

 

Der konzeptionelle Entwurf entfaltet sich zwischen zwei notwendigen Ebenen in der Stadtwahrnehmung: der Prägnanz der städtebaulichen Raumbildung und dem Repertoire der Stadträume. Der Rahmenplan definiert die prägnante städtebauliche Raumbildung als Ausgangslage der Entwicklung. Hier werden die Leitlinien aber auch die Kapazitäten festgelegt. Das Repertoire der Stadträume hingegen bildet die Grundlage für den alltäglich gelebten Raum. Es besteht aus räumlichen Qualitäten, die zur Aneignung einladen und Gelegenheiten schaffen. Die Studierenden entwerfen im Maßstab des Städtebaus an der Schnittstelle zur Architektur.

 

Das Entwurfsgebiet

Impressionen aus dem Studio

Gastkritiker Michael Hirschbichler und Markus Vogl

Arbeiten der Studierenden

Leonard Mitchell und Viktor Metz – Bachelorarbeit

 

Individuell und Gemeinsam

 

Ziel des Entwurfs ist es ein möglichst ideales Quartier im Spannungsfeld zwischen Individualität und Gemeinsamkeit zu schaffen, was durch die Vielfalt unterschiedlicher Wohnformen sowie den draus resultierenden Baustrukturen, Finanzierungs- und Organisationsmodellen erreicht wird. Durch ein ausgeklügeltes Patchwork-System soll den verschiedenen Ansprüchen räumlich entsprochen werden. Dieses ist Ausdruck der Diversität die zwischen Individualität und Gemeinsamkeit hervorgebracht wird und Abbild der europäischen Stadt. Die städtebauliche Grundstruktur orientiert sich an der Parzellierung der ursprünglich ausschließlich agrarisch genutzten Bestandsflächen. Die sehr prägenden Obstbaumfelder werden erhalten und durch ein Netz öffentlicher Freiflächen miteinander verknüpft. Damit bilden sie einen Kontrast zur weitestgehend halbwöchentlichen und privaten Wohnnutzung. Die Kombination unterschiedlicher Wohntypologien auf engen Raum erfordert eine architektonisch sensible Umsetzung um den Ansprüchen des alltäglich gelebten Raumes gerecht zu werden. Hierfür wird besonders viel Wert auf die Übergangsbereiche zwischen Öffentlichkeit und Privatheit gelegt. Diesen Räumen wird mithilfe methodischer Planungsinstrumenten architektonischen Ausdruck verliehen. Ziel ist es variable, hierarchisch strukturierte Übergänge zu schaffen. Damit soll die Privatsphäre geschützt werden ohne die Wohnbebauung zu stark vom öffentlichen und halböffentlichen Raum zu trennen.

 

 

Clara Pflug und Jona Schulte

 

Feldstadt. Monokultur und Multikulti

 

Die Herausforderung des Entwurfes war es, den konträren Anforderungen des Akteurs Landwirtschaft, vertreten durch den Bauernverband, und der Migration, vertreten durch die Caritas und so fokussiert auf den Themenbereich Asyl, gerecht zu werden.
Somit war es Ziel des Konzeptes einem zukunftsfähigen, ökonomischen Anbau von Agrarprodukten Raum zu geben und Asylsuchenden ein Umfeld zu schaffen, dass ihren Weg vom Ankommenden bis zum neuen Stuttgarter bestmöglich begleitet. Der in diesem Entwurf verfolgte Ansatz ist die horizontale und vertikale Durchmischung dieser unterschiedlichen Nutzungen in einer gemeinsamen Bautypologie. Die Bebauung orientiert sich an der bestehenden Feldstruktur und insbesondere an den schmalen „Stückle“ mit Baumbestand. Entlang und auf bestehenden Feldachsen mäandert die Bebauung aus langgestreckten, industriell anmutenden Baukörpern. Es bilden sich so kleinteilige Zwischenzonen für gemeinschaftliche Freiräume mit unterschiedlichen Anbau-und Freizeittypologien gegenüber von urbereinigten Feldflächen für den großmaßstäblichen, ökonomischen Anbauprozess. So werden Akteure in Kontakt gebracht, die im gesellschaftlichen Diskurs häufig nur aus der Distanz miteinander in Berührung kommen. Neben Wohnfläche, neuen und alten Anbaumethoden und integrativen Räumen ist so der Diskurs um eine (neue) gesellschaftliche Kohärenz im Fokus dieser Arbeit.

 

Matthias Krumbe und Behar Neziraj

 

Zwischen uns

 

Ist es möglich Raum ohne Gegensätze zu beschreiben?

 

Abgesehen von Atmosphäre und Emotionen, die sie schaffen, sind Räume eine rein physische Definition. Wir bestimmen was drinnen/was draußen, was offen/ geschlossen ist. Orte kommen uns groß/klein vor. Sie überlappen einander oder grenzen sich voneinander ab.

 

Die Konstruktion des Raums, wie sie uns erscheint, besteht aus kombinierten Gegensätzen. Die Existenz konträr zueinander stehender Eigenschaften ist eine Interaktion, die Raum entstehen lässt. Zwischen Räumen herrscht eine stille Kommunikation. Ein starrer Aushandlungsprozess von Relationen. Das aneinander Schmiegen, das Abwägen und Vergleichen von Gegensätzen ist die Sprache der Räume. Obwohl diese Gegensätze klare Verhältnisse schaffen, die wir benennen können, ist es unmöglich den Charakter eines Raumes nur räumlich zu beschreiben. Kommunikation zwischen Menschen lässt sich ebenfalls nicht nur durch gesprochene Sprache beschreiben. Räumliche Interaktion ist somit nicht viel weniger komplex als die Menschliche.

 

Was ist zwischen den Gegensätzen?

 

Raum als Ort der Gegensätze ist die Bühne menschlicher Kommunikation.

 

Wir zwängen uns in eine Welt, in der die Interaktion vom Minimalismus geprägt ist. Wir erfinden Regeln, Orte und Methoden um Kommunikation erklärbar und effizient zu machen. Sprache besteht aus Buchstaben, Wörtern und Grammatik. Häuser und Städte beherbergen uns. Wir nutzen digitale Geräte um zu kanalisieren und um den sprachlichen Raum Effizienter zu machen.

 

Was könnten die sprechenden Elemente sein ohne Sprache?

Was ist die Sprache des Unausgesprochenen?

 

Helena Harrer und Lorenz Engler

 

The next Level – die gemeinsame Stadt

 

Mit unserem Entwurf wollen wir eine Antwort auf die Frage geben, wie wir in Zukunft in Einklang mit der Natur leben können. Wie schaffen wir eine Stadt, in der Artenvielfalt und aktive Erholung einen nachhaltigen Pakt zwischen Menschen und Natur ausmachen? Wie können wir ein Zuhause für Menschen schaffen, die nach einer Lösung für ein besseres Zusammenleben mit der Natur suchen? Und wie können wir natürliche Lebensräume erhalten, das Wachstum von Pflanzen verbessern und Räume die von Menschen, Vegetation und Tieren genutzt werden vereinen? Unser Vorschlag für ein besseres Zusammenleben formuliert sich in einer Art Gerüst um die Bebauung. Es ist der Schnittpunkt, der die von uns definierten Naturarten, verbindet. Diese Naturarten sind: „Die Zimmerpflanze“ – dem von Menschen reguliertem Raum. Die „Partizipative Natur“ – sowohl vom Menschen als auch von der Natur beeinflusster Raum. Sowie die „Wildnis“- Vom Menschen nicht regulierte Natur. Das Gerüst löst die Grenzen auf. Es dient zur Beschattung, zur Erweiterung des Wohnraums, Raum für Vegetation und Tiere und als Erschließungsmöglichkeiten. So soll ein fließender Übergang zwischen den Naturformen und den konkreten Situationen, sowie neue räumliche und atmosphärische Charakteristika entstehen.

Lehrteam

Prof. Dr. Martina Baum

Harry Leuter

Ksenija Zujeva

 

Lehrstuhl Stadtplanung und Entwerfen
Prof. Dr. Martina Baum