Unsere Lehrhaltung gründet sich auf dem Diskurs. Das gemeinsame Arbeiten von Lehrenden und Studierenden fordert und fördert das kritische Hinterfragen unserer gebauten Umwelt und reflektierte Denken. Kollaboration mit anderen Lehrstühlen, Hochschulen und Praxispartnern sind für uns selbstverständlich. Um die gesellschaftlichen Herausforderungen an Raum kritisch zu reflektieren, braucht es Interesse, Engagement und Idealismus beidseits: von Lehrenden wie Studierenden.

Patrick Schneider und Thomas Lesch

Die Raiffeisen-Lagerhäuser entstanden ab Mitte des 19. Jahrhunderts als eigenständige Typologie in infrastrukturell gute Lage. Aufgrund des strukturellen Wandels in der Landwirtschaft sind vor allem ältere Strukturen heute ungenutzt.

 

Initialzündung:

 

Sofortmaßnahmen mit geringem Kostenaufwand beleben diese Orte und erschließen sie für die Öffentlichkeit. Unbenutzbare Stahlsilos dienen als Spender für Kleinstarchitekturen, welche als nutzungsoffene Marktkioske den direkten Umraum der Lagerhäuser bespielen. Auffällige und eigenständige Architekturen erinnern an ihren Ursprung und werden von verschiedenen Akteuren gestaltet.

 

Reanimation:

 

In der zweiten Phase wird der Außenraum um die Lagerhäuser bespielt. Am Beispiel des Lagerhauses in Blaufelden wird gezeigt, welche Potenziale im Umraum der zentral gelegenen Lagerhäuser stecken. Der Umraum wird entsiegelt und der Straßenrand begrünt. Es gibt ein unterschwellige Konsumangebote, die einen gemeinschaftlichen Mehrwert bieten.

 

Öffnung:

 

Die Erdgeschosszone wird zum öffentlichen Außenraum und zum Schwellenraum. Eine neu-entstehende Nutzung, die Digitalboutique, verbindet die Vorteile des lokalen Einzelhandels mit den Stärken digitaler Angebote. Die jeweiligen Standorte können äquivalent zu ihren Bestandsnutzungen mit weiteren solidarischen Nutzungen angereichert werden.

 

Transformation:

 

Sobald die anhaltende Restnutzung (Rapspresse) obsolet werden sollte, eröffnet sich ein neuer Möglichkeitsraum. Analog zur ursprünglichen Nutzung als Getreidespeicher wird es in Zukunft zur zentralen Pufferspeicherung von thermischer Energie dienen. Notwendige Infrastruktur wird sichtbar und erlebbar gemacht. Gleichzeitig werden die Abwärme des Wärmespeichers als Nutzenergie und als passives Heizsystem im Gebäude angewandt. Eine transluzente Fassade bringt Licht in das ungewöhnlich tiefe Gebäude. Jüngere Gebäudeteile bieten große Flexibilität, um Nutzungen der Daseinsvorsorge beherbergen zu können und ersetzen einen ansonsten notwendigen Neubau.


Guiliana Fronte

Hatte der Fürst sein Schloss noch vom König und

der es in letzter Instanz von Gott, wandelte sich in der Moderne das

„Verhältnis zum vereinnahmten Objekt in [eine] Form uneingeschränk-

ter Verfügung.“ Dieses Eigentumsverständnis beinhaltet explizit auch

die Zerstörung desselben.

Aus dieser Perspektive lässt sich die Geschichte des Wassers in der

Württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart am besten als eine

Verlusterfahrung beschreiben. Binnen weniger Jahrhunderte wurde die

ehemalige Auenlandschaft am Seitenarm des Neckars zu einer wach-

senden Stadt und Manufaktur der Trockenheit. Wo einst noch die Pfer-

de im Stutengarten an einer der drei Pferdeschwemmen getränkt wur-

den, ist das Wasser inzwischen beinahe vollkommen aus dem Stadtbild

verschwunden. Überall fließt in der autogerechten Stadt der Verkehr,

aber kein Wasser. Von einer lebendigen Badekultur kann in dem Ort mit

dem zweitgrößten Mineralwasservorkommen Europas nicht die Rede

sein. Der Neckar, heute für viele Stuttgarter*innen ein Sehnsuchtsort,

wurde einst als unbeherrschbarer Naturraum mit seinen Hochwassern,

Uferabbrüchen und Laufverlegungen gefürchtet, bevor er kanalisiert

und begradigt wurde. So avancierte er zwar allmählich zu einem auf

Wasserkraft basierenden, produktiven Ort für die zahlreichen Mühlen,

Wasserwerke und die Schifffahrt, verlor aber zunächst seine Bedeutung

als Freizeit- und Erholungsort.


Lucas Apfelbacher

Der Multiværk ist das architektonische Element, das sich vom Meer über die Insel Prøvestenen bis zum Land erstreckt. Die architektonische Sprache wurde von der Industriegeschichte des Ortes und den typischen Hafenanlagen inspiriert. Konzeptionell und strukturell entstand die Idee eines Stahlgerüstes, das eine Mehrfachcodierung je nach Bedarf ermöglicht. Die Nutzungen artikulieren sich unterschiedlich in der Fassade und den Grundrissen. Die Konstruktion, bestehend aus einem durchgehenden Stahlgerüst und eingelassenen Betonfertigteilen, bietet Platz für Wohnungen, Pyrolyseanlagen, Forschungsbüros, Museen und Siloinfrastruktur. Der Hauptzugang befindet sich auf der Dachpromenade, von der aus seitliche Zugangstürme zu den darunter liegenden Arkaden führen. Über diese Arkaden werden die Wohnungen, Büros und Pyrolyseanlagen erschlossen. Herzstück sind die Pyrolyseanlagen, die den kontaminierten Boden reinigen und über Förderbänder an den ursprünglichen Standort zurückführen. Da eine reine Phytosanierung zu zeitaufwändig wäre, um dem Anstieg des Meeresspiegels vorzugreifen, und toxische Substanzen gefunden wurden, die nicht natürlich biologisch abbaubar sind, musste die technische Lösung der Pyrolyse gewählt werden.


Des Königs neue Kleider

Masterarbeiten

Viviana Merz und Jana Nolting

Durch den Wandel von Handel, Arbeit und Kultur sind unsere Stadtzentren und Einkaufsstraßen heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Auch die Stuttgarter Königstraße ist längst kein Treffpunkt verschiedener gesellschaftlicher Gruppierungen und Subkulturen mehr, sondern eine exklusive Shoppingmeile. Die ehemaligen Geschäftshäuser werden abgerissen und durch sogenannte Ersatzneubauten reproduziert. Anstatt neuer Gebäude mit alten Nutzungen braucht es jedoch alte Gebäude mit neuen Nutzungen. Aus diesem Kontext heraus stellen wir die These auf, dass Stuttgart bereits gebaut ist. Diese Annahme soll nicht in einer „Dystopie des Verzichts“ (Bahner, 2020) enden, sondern neue Ausgangspunkte für Experimentierfelder im Bestehenden finden. Sie ist ein Plädoyer für das Weiterbauen des Bestehenden und warnt vor dem Dogma des ständigen Neubauens.

 

Exemplarisch dafür stehen drei ehemalige Kauf- bzw. Büro- und Geschäftshäuser auf der Königstraße, die ein „Kommunizieren und Organisieren“ (Kö1), ein „Produzieren und Gestalten“ (Kö23) und ein „Lernen und Lehren“ (Kö45) statt Konsumieren vorschlagen. Die Handelshäuser der Zukunft stellen eine Infrastruktur zur Verfügung und ermöglichen so die Aneignung durch zukünftige Nutzer:innen. Als öffentlicher Raum sind sie ein Gemeingut und können sich zu kulturellen und sozialen Zentren entwickeln, die alltäglich und niederschwellig sind. Anstatt mit Waren wird hier mit Wissen, Dingen, Räumen und Diskursen gehandelt.

 

Die drei Handelshäuser der Zukunft bilden den Ausgangspunkt für eine mögliche nachhaltige Veränderung auf der Königstraße.


WS21 - Jonas Schulte und Lorenz Engler

Brücken bauen – Die Wiederentdeckung einer Typologie

 

Im Herzen vieler Städte sind Brücken identitätsstiftende Orte. Der direkte Kontakt zum Wasser und die in ihrer Natur liegende Rolle als Nadelöhr geben ihnen die Möglichkeit, Orte der Begegnung und der Gemeinschaft zu sein. Romantisierte Bilder von bebauten Brücken, wie der London Bridge oder Ponte Vecchio, zeigen uns das räumliche Potential, dass diesen Orten mit einer Dichte aus Menschen und Nutzungen inne liegt.

Wie viele Brückenbauwerke weltweit dient auch die Stuttgarter König-Karls-Brücke den Anforderungen des Individualverkehrs. Mit acht Fahrspuren und ihrer rationalen Struktur wirkt sie heute menschenfeindlich und als trennendes Element zwischen Schlossgarten und Cannstatt.

Das notwendige Hinterfragen unserer heutigen Mobilitätsstruktur öffnet dieses Bauwerk mit seiner exklusiven Lage einer Konversion, die den menschlichen Bedürfnissen und Wünschen wieder gerecht werden kann.

Der Entwurf verbindet die harte Struktur des Bauwerkes und die Dichte, die ein solch wertvoller Ort erfordert, mit der kleinteiligen, heterogenen Welt aus der alltäglichen Fußgängerperspektive.


Distributionsräume

Masterarbeiten

Julius Lutterbüse und Johannes Pojtinger

 

 

In der Vergangenheit, gefördert durch eine Unabhängigkeit von Produkt und Konsument, haben sich immer größere Logistik- und Produktionszentren im Umland der Städte angesiedelt. Durch die ansteigende Zentralisierung ist ein System entstanden, welches meist nur noch in einem globalen Kontext funktioniert. Dies führt zu Servicearchitektur ohne ästhetischen Anspruch, einer hohen Umweltbelastung und starken globalen Abhängigkeiten. Ein geändertes Konsumverhalten oder alternative Verteilungskonzepte werden nur selten diskutiert. Wir gehen davon aus, dass lokale und regionale Kreisläufe in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden, um den zuvor genannten Konflikten entgegenzuwirken.

 

Die Möglichkeit, einen Knotenpunkt in einem solchen lokalen Netzwerk in Stuttgart zu etablieren, sehen wir am Standort des Paketpostamts am Rosensteinpark. Der Siegerentwurf des Wettbewerbs zum Rosensteinquartier sieht an diesem Standort einen Campus vor, dabei wird ein Großteil der bestehenden Gebäude vorerst zur Disposition gestellt. Im Zuge unserer Arbeit haben wir Umnutzungspotenziale untersucht, welche die Qualitäten des Ortes aufgreifen und den Erhalt der Gebäude und ihrer Identität zum Ziel haben.

 

Das Programm umfasst dabei eine Kombination aus lokaler Produktion, geteilten Nutzungen, Bildung und Kultur sowie flexibel nutzbaren Erweiterungen, die in unterschiedlichen Zeiträumen entwickelt werden.


Zukunft Kloster

Masterarbeiten

Lea Dirmeier

Durch den Wandel der Religiosität stehen die Orden vor einem Umbruch. Es besteht die Notwendigkeit nach neuen Formen des Klosters, die alten repräsentativen Klosterbauten sind zur Belastung geworden. Der Theorieteil setzt sich neben dem aktuellen Prozess mit den Gründen für die große Stabilität dieser Typologie auseinander, deren gebaute und gelebte Struktur sowohl Chance als auch Herausforderung ist. Deutlich zeigt sich dies am Birgittenkloster Altomünster, dem letzten Kloster des Ordens im deutschsprachigen Raum. Typisch für den Orden handelte es sich um ein Doppelkloster: streng getrennt umfasst die Anlage Frauen- und Männerkloster. Bei den Birgitten handelt es sich um einen kontemplativen Orden, der Fokus auf dem Gebet und der Reflexion, aber auch eine Abkehr von der Welt, die bedeutete, dass die Frauen das Kloster einmal im Leben betraten und nie wieder verließen. Der Entwurf bezieht sich auf das Frauenkloster, welches seit 2017 leer steht, inklusive der Freibereiche, welche nicht zugänglich sind. Entwickelt wurden zwei Ansätze, welche die Frage nach dem Grad der Öffnung und der Verknüpfung mit dem Dorf auf unterschiedliche Weise beantworten.


Utopien aus Umbrüchen

Masterarbeiten

Max Stengele und Lisa Beuchle

„Utopien aus Umbrüchen“ greift die enormen Transformationen unserer Zeit auf und interpretiert sie als Chance für die Gesellschaft und Stadtplanung.

 

Die Basis der Arbeit bildet das gesamtgesellschaftliche Szenario 2050+, welches einen optimistischen Ausblick in eine Welt bietet, die nach konfliktreichen Phasen zu langfristigen Lösungen in einer Postwachstums- und Grundeinkommensgesellschaft findet. Parallel dazu werden Handlungsstrategien beschrieben und Potentiale aufgezeigt, die damit einhergehen – so stehen dem wachsenden Bedürfnis an Orten des Austauschs und der Selbstverwirklichung zunehmend obsolet werdende Typologien wie Büro-, Verkehrs- und Produktionsflächen gegenüber.

 

In diesem Kontext zeigt der Entwurf anhand des Benzviertels in Stuttgart-Untertürkheim das Potential von Werksgeländen exemplarisch auf. Aufgrund ihrer spezifischen typologischen Mischung können sie auf die sich wandelnden Bedürfnisse reagieren und somit einen besonders relevanten Beitrag für eine kooperative, gemeinwohlorientierte und nachhaltige Stadtentwicklung leisten. Der Einblick in eine Stadtgesellschaft 2050+ und deren Transformationsprozesse werden anhand von sechs repräsentativen Komponenten des Quartiers veranschaulicht: (Re)Produktion, Wohnen, Selbstverwirklichung, Teilhabe, Bildung und Nahversorgung.


Exklusiv Hier!

Masterarbeiten

Sarah Thiel

Städte sind unfair. Und dabei bilden diese doch eine Grundlage unseres alltäglichen Lebens! In der Theorie steht die Stadt für einen Ort der Durchmischung, Überlagerung und Vielfalt. Doch werden unsere Städte aktuell den Bedürfnissen einer vielfältigen Stadtgesellschaft gerecht? Und hat jede*r die gleichen Möglichkeiten den Stadtraum zu verändern? Diskriminierung und Exklusion haben sich seit Jahrhunderten strukturell in unsere Gesellschaft eingeschrieben. Die Folgen des Kolonialismus, das Patriarchat oder der Neoliberalismus stellen dabei nur einige der gravierenden Einflüsse dar, die direkt und indirekt dem urbanen Leben ihre negativen Auswirkungen demonstrieren. Wie wird nun die Geschichte der hegemonialen Normen besonders durch Architektur und Stadtplanung weiter erzählt? Und wird es nicht Zeit den bestehenden Machtstrukturen das Fundament zu nehmen?

Die zweite Ausgabe des Magazins urbant möchte dieser Problematik auf den Grund gehen und widmet sich dementsprechend der Diskussion einer in- bzw. exklusiven Stadt – immer mit der Frage, wie bestehende Machtverhältnisse und normative Vorstellungswelten destabilisiert werden können.


Anna Franke und Claudia Deppe


Orte der Gastlichkeit

Masterarbeiten

Ann-Kathrin Ludwig und Anton Philipp

Die Masterarbeit untersucht das komplexe Verhältnis von Stadt und Tourismus. Sie erörtert die Frage, wie Städte einen Tourismus integrieren können, der sowohl für Reisende als auch Bewohner der Stadt gleichermaßen positiv ist. Immer mehr Städte in Europa, wie zum Beispiel Venedig, Barcelona und auch aufstrebende Städte wie Porto haben wachsende Besucherzahlen zu verzeichnen. Anfangs profitieren viele Städte und Bewohner von den positiven Auswirkungen, welche die Gefragtheit eines Ortes mit sich bringt. Tourismus schafft Einkommen und Beschäftigung und kann so auch zur Entwicklung einer lokalen und regionalen Identität beitragen.

Es wird jedoch schnell deutlich, wie wichtig es ist, die Stadt als dauerhaft belebten, lebendigen Organismus anzusehen, welcher im ausgewogenen Verhältnis zu seinem Tourismus stehen muss. In vielen Fällen sind weder die Bewohner, noch die Strukturen der Städte auf die große Masse an Touristen vorbereitet, die auf sie einströmen.

Ein authentisches Erleben der Stadt steht für die meisten Reisenden mittlerweile im Vordergrund. Mit der wachsenden sharing economy verändern neue Konzepte wie die Vermietung von privaten Unterkünften über das Internet dieses authentische Bild zunehmend. Es wird ein neues Verständnis von Gastlichkeit definiert.


Poveglia per tutti

Masterarbeiten

Jana Melber

Ausgangspunkt der Masterthesis ist die verlassene Insel Poveglia. Verortet in der venezianischen Lagune, prägen baufällige Fragmente des ehemaligen Lazaretts umgeben von wilder Vegetation ihren pittoresken Charakter. Im Zuge des Ausverkaufs Venedigs, stand die Insel im Jahr 2014 zur Versteigerung. Die Auktion war der Impuls für die Gründung des Vereines Poveglia per tutti. Die lokale Initiative setzt sich für eine nachhaltige Reaktivierung der Insel ein. In der Analyse zu Beginn der Arbeit konnte die DNA des Ortes aufgezeigt werden und in einer Fallstudie die Evolution Poveglia per tuttis von einer informellen Gruppierung hin zu einem Raumunternehmen evaluiert werden. Aufbauend auf die gewonnen Erkenntnisse, sieht der Entwurf eine Entwicklung der Insel in fünf Schritten vor, abgestimmt auf das Handlungsfeld der Bürgerinitiative. In den einzelnen Phasen [Silhouette, Kulisse, Arrangement, Ensemble und Balance] werden die räumlichen Potentiale der Insel inszeniert, über Nutzungsschwerpunkte strukturiert und durch architektonische Setzungen ergänzt. Es entstehen Freiräume für die Bürger Venedigs, die durch ein stabiles Gerüst flexibel auf deren Bedürfnisse reagieren können. Der behutsame Umgang mit dem historischen Erbe ermöglicht eine Transformation der Insel ohne den Verlust ihrer einzigartigen Atmosphäre.

 

 


Bente Rau und Hannah Kast


Grand Paris

Masterarbeiten

Jonas Stamm


Dorothee Limbach und Nicole Ottmann

Die heutige Stadtstruktur hat ein gesellschaftliches Problem: sie wird von zunehmender Vereinsamung eingenommen. Der Stadtmensch lebt einsam in der Masse – oder präziser: in der Masse von Einsamen. Daher beschäftigen wir uns mit der Frage, wie die Stadt wieder zu einem Ort der Gemeinschaft gestaltet werden kann. Wir stützen uns auf das urban commoning, das städtische Gemeinschaffen, um Stadt gemeinschaftlich von und mit den Anwohner*innen zu entwickeln.

 

Vielfach ist das Problem, dass potenzielle Austauschorte nicht konsumfrei sind, z.B. ein Café, indem man etwas kaufen muss, um eine Aufenthaltsberechtigung zu haben. Dieses Problem ist kapitalistisch bedingt: Die Flächen des öffentlichen Raums sind privatisiert. Daher ist ein Aufenthalt ohne Konsum, bzw. entgeltfrei nicht mehr möglich. Wir schaffen mit dieser Masterarbeit einen Ort, der inklusiv und wetterunhabhängig ist, an dem Nutzer*innen wieder eine Aufgabe bekommen und Verantwortung übernehmen können.

 

Wir haben eine Struktur geschaffen, die Menschen sich aneignen können, um sich frei zu entfalten und so zwanglos in Austausch miteinander zu treten. Die Aufgabe der Stadtplanung sollte es sein, solche Strukturen zu erstellen und ins Stadtgefüge zu implementieren. Hierfür schaffen wir ein Regelwerk, eine beispielhafte Typologie auf gesellschaftskritischer, städtebaulicher und architektonischer Ebene. Diese Typologie nennen wir Städtisches gemein(SAM)schaffen.

 

Als Pilotprojekt nutzen wir den Berliner Blücherplatz als Schnittstelle zwischen den Bezirken Mitte und Kreuzberg.

Hier soll eigentlich die neue Zentral- und Landesbibliothek entstehen. Das Problem ist, dass dieses Gebiet ein sozialer Brennpunkt ist. Ein solcher Prestigebau soll das Gebiet von Seiten der Stadt aufwerten, verdrängt dabei aber zwangsläufig die jetzigen Bewohner*innen. Diese Masterarbeit hat (Stadt-)Räume generiert, an denen Gemeinschaft entstehen kann, die durch aktive Teilhabe sowie aus der Zusammenwirkung von diversen Akteuren und deren Interessen immer wandelbar und anpassungsfähig bleiben.


Architektur und Bewegung

Masterarbeiten

Alina Gold

Schon immer prägen gebaute Räume unser Bewegungsverhalten in der Stadt. Ob es sich um Straßenführungen, Plätze oder Parkanlagen handelt, wir sind ständig dabei, uns neu zu orientieren. Auf den Wechsel unterschiedlicher Positionen und Perspektiven, die in der situativen Raumerfahrung stecken, nimmt diese Installation Bezug. Sie stellt die temporäre Erfahrung von Stadt in unterschiedlichen Raumkonfigurationen in den Fokus.

 

Die Installation SPIEL MIT! ist ein Spielfeld, das Neugierde zum Mitmachen und Erleben wecken soll. 36 Holzelemente werden in Ordnungen gestellt. Es entstehen Plätze und Säulenhallen, Treppen und Bühnen. Diese Orte werden benutzt, hinterfragt und umgebaut. Welche Räume erlauben Ruhe und laden zu Begegnung ein? Wann ermöglicht Raum Aneignung und Identifikation? Die Installation konfrontiert Raumkonfigurationen in der Stadt, die erst durch die bewusste Erfahrung erlebt werden. Im interaktiven Aushandlungsprozess stellt sich die Frage, wie wir als Gesellschaft Stadt in Zukunft denken und bauen möchten.


UTOPIE und KOLLISION

Masterarbeiten

Jeremy West

Wohnraum ist das ergiebigste Tätigkeitsfeld der Architektur. Dem Unbehagen, dass seine Entstehung sich zunehmend rationalisiert, kommerzialisiert, und der Idee einer vielschichtigen Stadt widerspricht, kommt in dieser Arbeit besondere Aufmerksamkeit zu.

Am Stöckachplatz soll die alte Hauswirtschaftsschule 25 neuen Wohnungen und einem Supermarkt mit Tiefgarage weichen.

Mit Hilfe des von Colin Rowe entfremdeten Begriffes Kollision als invasiver/regenerativer Strategie wollen wir intervenieren! Kollision kann als Verformung oder Vermengung widersprüchlicher Ideen verwendet werden, um eine Assimilation unserer kapitalistischen Stadtanatomie in Gang zu setzen. Das durch Sandra Meireis etablierte Prinzip der Mikro-Utopie als partikulärer Projektion ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Strategie.

In einem subtraktiven Verfahren wird die von Harris + Kurrle vorgeschlagene Setzung aus der Bestandsstruktur herausgeschnitten; aus der alten Schule entsteht ein neues Behältnis unkodierter Resträume, indem sich nun in Form räumlicher Skizzen kontrastierende Vorschläge für innerstädtische Lebensformen in dem Behältnis ansiedeln.


Melina Gierl

Innerhalb des Stuttgarter City-Rings sollen gemäß des Zielbeschlusses, lebenswerte Innenstadt, öffentliche Parkplätze am Straßenrand, mit Ausnahme von Behinderten-, Taxistellplätzen und Anlieferzonen, zurückgebaut werden.Das bedeutet: Mehr Stadtgrün sowie mehr Bewegungsräume für FußgängerInnen und RadfahrerInnen. Daneben ist die Stadt Stuttgart seit einigen Jahren auf der Suche nach geeigneten Orten für Häuser der Begegnung, mit denen die soziale, kulturelle und konsumfreie Vielfalt und Begegnung in der Stuttgarter Innenstadt gefördert werden sollen. In der Stuttgarter Innenstadt sind 6 oberirdische Parkhäuser zu finden, die in Summe nur etwa 1/5 des innerstädtischen Parkraumes ausmachen. Ohne thermische Hülle sind Jene nicht physisch vom städtisch öffentlichen Raum zu trennen und könnten demnach als potentielle Fläche für mehr öffentliche Freiräume betrachtet werden und so den Zielbeschluss um ein Vielfaches erweitern sowie der jahrelangen Suche nach geeigneten Orten für Begegnungshäuser ein Ende bereiten.Diese Vision wird am Beispiel des Galeria Parkhauses in der Steinstraße 3 in der Stuttgarter Innenstadt entworfen.


Philipp Deilmann

Welche Bedeutung hat Strom für unsere Gesellschaft und welche räumlichen Bedingungen sind an diese Frage geknüpft? Die Arbeit Analoge und Digitale Stromwelten zeigt die räumlichen und gesellschaftlichen Veränderungen von Architekturen und Infrastrukturen im Zusammenhang mit dem Großtechnischen System des elektrischen Stroms.

Während der Entstehung von analogen und digitalen Stromwelten bilden sich gegenwärtig gesellschaftliche Konflikte, die sich häufig in Gerechtigkeitsfragen und unterschiedlichen ästhetischen Präferenzen äußern. Dabei werden verschiedene wissenschaftliche Zusammenhänge aus der Soziologie, Philosophie, Ökonomie und den Ingenieurwissenschaften tangiert. Die daraus abzuleitende Komplexität des Themas führt zu dem Wort Stromwelten, das sich als ein Totalitätskonzept darstellt, um ein ganzheitliches Bild des Problems sichtbar werden zu lassen. Die Arbeit bewegt sich dabei auf einer künstlerischen und dokumentarisch forschenden Ebene. Mit Hilfe von Fotos und Videos wurden wichtige Orte dokumentiert und anschließend wieder dekonstruiert und mit Hilfe von digitalen Bildern interpretiert.


Initiative Adapter

Masterarbeiten

Initiative Adapter

“An der Grenze zwischen Haus und Stadt trifft das »Drama menschlichen Bewohnens« auf die Straße, den Platz, das Quartier.”
(Tim Heide / Verena von Beckerath, Dichte als Möglichkeit, Neue Standarts – Zehn Thesen zum Wohnen)

 

Die von dynamischen Veränderungsprozessen geprägte und mit ihnen konfrontierte europäische Stadt steht durch strukturellen und demographischen Wandel vor soziologischen, architektonischen und stadtplanerischen Herausforderungen. Wohnen als Grundbedürfnis und Ausdruck der Lebensrealität des Menschen befindet sich in stetiger Wechselwirkung mit dem gesellschaftlichen Konstrukt der Stadt. Eine sich darauf beziehende, prozesshafte Stadtplanung kann auf sich stetig verändernde Bedingungen reagieren, eingehen und bedarfsorientiert gestalten. Das Projekt Adapter beschäftigt sich mit neuen Perspektiven auf das Wohnen an der Schnittstelle zu der Stadt. Die in diesem Zusammenhang entstandene Masterarbeit verfolgt eine experimentelle, realitätsbezogenen Planung und bildet die Grundlage für das Pilotprojekt einer Wohn-Zwischennutzung im Stadtraum Stuttgart.

 

DISKURS

Die erste Ausgabe des Magazins urbant untersucht die Beziehung von öffentlichem und privatem Lebensraum in der Stadt. Ausgehend von der Parabel der Stachelschweine, die versuchen die Balance zwischen sich gegenseitig wärmen ohne sich zu stechen zu finden, wird der Blick auf die Aushandlung von Nähe und Distanz gerichtet, die unser städtisches Umfeld für das Zusammenleben ermöglicht. (www.adapter-stuttgart.de/urbant)

 

EXPERIMENT
Die Arbeit ist eine Kombination aus theoretischer und praktischer Forschung, als Basis für empirische Untersuchungen. Die Präsentation ist als öffentliche Ausstellung in einer leerstehenden Ladenfläche konzipiert und öffnet somit einen neuen Blick, die Belebung des Ortes verändert dessen Wahrnehmung und bringt so neue Erkenntnisse. Zudem werden Forschungsfragen gestellt und von Adapter durchgeführte Methoden der Aktionsforschung erklärt.

 

ENTWURF

Hauptaugenmerk der Ausstellung richtet sich auf den Entwurf einer Zwischennutzung, die neue Wohnformen auf Zeit erprobt. Ein von Adapter entwickeltes Raumsystem ermöglicht die partizipative Umgestaltung von temporär leerstehenden Gewerbeflächen zu einem experimentellen gemeinschaftlichen Wohnprojekt.
Das Prinzip der Zwischennutzung wird dabei als Instrument für eine niederschwellige, prozesshafte und bedarfsnahe Stadtentwicklung untersucht.

 

> mehr Informationen zur Initiative Adapter unter www.adapter-stuttgart.de