Widersprüche und Potenziale
DissertationenHauptberichterin: Prof. Dr. Martina Baum
Zweitberichter: Prof. Dr. Florian Hertweck
Konzept für einen Multidialektischen Städtebau am Beispiel großer Quartiersplanungen
Dr. Harry Leuter
Die Dissertation untersucht das Potenzial von Widersprüchen, zur Differenzierung von homogenen großen Quartiersplanungen beizutragen. Philosophische Grundlage ist das dialektische Denken mit der Vermittlung zwischen Widersprüchen als Kernanliegen und der Differenziertheit des Ganzen als Ziel. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Feststellung, dass Stadt von Widersprüchen geprägt ist. Widersprüchliche Interessen einer vielfältigen Gesellschaft kommen zusammen und widersprüchliche Stadtstrukturen treffen aufeinander. Das Urbane ist das Zusammenkommen unterschiedlicher sozial-räumlicher Welten und Mikrokosmen. Urbanität ist durch Widersprüche gekennzeichnet. So irritiert es, dass aktuell große neue Quartiere scheinbar ohne Widersprüche entstehen. Es sind Quartiere an den Rändern süddeutscher Städte, die als urbane Teile der Stadt geplant sind, in ihrer räumlichen Ausprägung jedoch durch die Abwesenheit von Widersprüchen – hier Widerspruchsfreiheit genannt – charakterisiert sind.
Folgende Forschungsfrage wird gestellt: Wie kann ein aktiver Umgang mit Widersprüchen ein Potenzial sein, um zu einer Differenzierung der räumlichen Ausprägung bei großen, widerspruchsfreien Stadtquartieren in Süddeutschland beizutragen und gleichzeitig eine Vermittlung zwischen den Widersprüchen anzuregen?
Kernmethoden zur Beantwortung der Frage sind die vergleichenden und kontrastierenden Plan- und Bildgegenüberstellungen der Quartiere in unterschiedlichen Betrachtungsebenen sowie Research by Design mit einer reflexiven Analyse von Entwurfsprojekten. Ergänzend stellen explorative Interviews, Literaturrecherche und Dokumentenanalyse die Basis der Forschung dar. Durch Betrachtung unterschiedlicher Dimensionen kann einerseits die Widerspruchsfreiheit der räumlichen Ausprägung der Quartiere festgestellt werden; andererseits können fünf Hauptwidersprüche herausgearbeitet werden, deren Negierung zur Widerspruchsfreiheit der Quartiere beiträgt. Statt diese zu negieren, wird in der Arbeit ein aktiver Umgang mit diesen Hauptwidersprüchen verfolgt. Als geeignetes Mittel, um mit den Widersprüchen der Quartiere kreativ umzugehen, wird das Entwerfen identifiziert. Durch entwurfliche Explorationen und deren Analyse wird herausgearbeitet, dass Widersprüche zur Differenzierung der räumlichen Ausprägung von Quartieren ein Potenzial darstellen, sie aber keine Qualität an sich sind. Um dieses Potenzial in eine Qualität zu verwandeln, müssen die Widersprüche (an)erkannt und durch das Entwerfen städtebaulich spezifiziert werden. Die Untersuchungen münden in ein Konzept für einen Städtebau, der dialektisch vermittelt zwischen einer Vielzahl an Widersprüchen innerhalb sowie zwischen unterschiedlichen Betrachtungs- und Maßstabsebenen – einen Multidialektischen Städtebau.