Provisorische Architektur

Entwürfe

„Provisorische Architektur ist Medium für den Umbau unserer Städte, ist Ordnungsmittel und Großmobiliar, ist Koordinationselement für vorhandene Bausubstanzen und Prüfstand für öffentliche Meinung. Provisorische Architektur schafft die Möglichkeit, Wünsche und Vorstellungen der Stadtbewohner anhand vorgegebener Modelle zu konkretisieren, Verhaltensweisen in Erfahrung zu bringen.“  Ortner, Laurids (Haus-Rucker-Co) 1977.

 

Die Arbeiten des Entwurfs „Provisorische Architektur” gehen dem im vorhergegangenen Seminar beobachteten verzerrten Mobilitätsverhalten in Stuttgart auf den Grund und richten ihren Fokus gezielt auf die Situation am Österreichischen Platz, wo diese Realität im öffentlichen Raum sichtbar wird. Die Studierenden realisieren drei von einer Jury ausgewählte Realexperimente, welche dort in Form von provisorischen Architekturen umgesetzt werden. Sie dienen als Möglichkeit neue Ansätze, im Stadtraum zu testen, den Diskurs rund um eine neue Mobilitätskultur weiter anzustoßen und um neue Denkweisen zu kultivieren.

 

Der Entwurf „Provisorische Architektur” ist Teil des „Future City Labs Universität Stuttgart – Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur“ gefördert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Ziel der Reallabor-Forschung ist, gesellschaftliche Experimentierräume für aktuelle Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft zu ermöglichen, um vom Wissen zum Handeln zu kommen. In Zusammenarbeit mit Stadtlücken e.V., der Stadtverwaltung und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen wird in der 2. Förderphase des Reallabors die kulturelle Dimension der nachhaltigen Mobilität in Stadtraum kooperativ erprobt. Das Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur dient dabei als Zukunftslabor und kooperative Plattform. Es bündelt erzeugtes Wissen, macht es zugänglich und diskutierbar: sowohl durch die digitale Vernetzung als auch durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Initiativen und Akteur*innen. Dabei geht es nicht nur um Technologien oder Strategien zur Verkehrsoptimierung, sondern vor allem um eine Kultur der Mobilität und Bewegung, die sich an einem erweiterten Wohlstandsbegriff orientiert, Gesundheit und sozialen Austausch fördert und neue Lebens- und Aufenthaltsqualitäten in der Stadt zu schaffen vermag.

 

Arbeiten der Studierenden 

Christian Kohler, Felix Fernkorn, Ginster Bauer, Justus Günthermann, Carla Feine

 

Stuttgarter Luftbahn

 

Um das Gespräch über eine nachhaltige Mobilitätskultur über die unterschiedlichen Interessen hinweg anzuregen, erschafft die «Stuttgarter Luftbahn» eine phantastische Utopie, die einen für alle positiven Zustand, für den man Veränderungen in Kauf nehmen möchte, aufzeigt und dadurch zwischen den Positionen vermitteln kann.

Der Entwurf stellt eine Station zu einem hypothetischen Nahverkehrssystem auf Ballonbasis dar, die in Gestalt und Idee an Geschichten von Jules Vernes angelehnt ist. Die pavillonartige Station ist Bühne, Objekt und Ort der Diskussion für den Einstieg in eine neue Mobilität.

Um das Gespräch über eine nachhaltige Mobilitätskultur über die unterschiedlichen Interessen hinweg anzuregen, erschafft die «Stuttgarter Luftbahn» eine phantastische Utopie, die einen für alle positiven Zustand, für den man Veränderungen in Kauf nehmen möchte, aufzeigt und dadurch zwischen den Positionen vermitteln kann.

Anna Dörrig, Cristina Estanislao Molina, Feydrea Viaista, Paul Stockhausen

 

How do you roll?

 

Um an einem autodominierten Ort auf alternative Mobilitätskulturen aufmerksam zu machen, schafft diese Intervention – eine Rollschuhdisco – Raum für Bewegungsformen, die durch das Auto verdrängt wurden.

Sie ist Teil eines größeren Diskurses über die Zukunft der urbanen Mobilität. Aus der Idee, Schlittschuhlaufen auf Straßen zu imitieren, entwickelte sich einst eine internationale Bewegung: die Rollschuhkultur. Heute fast verschwunden, soll sie hier wieder sichtbar werden.

Am stark befahrenen Österreichischen Platz in Stuttgart, wo der Autoverkehr dominiert, entsteht so ein Ort des Umdenkens. Einmal im Monat wird der innere Kreis für Autos gesperrt – und für Rollerblades, Skater und alle, die sonst keinen Platz finden, geöffnet.

Gerade an Orten, deren Hauptfunktion scheinbar nur Verkehr ist, setzt diese Aktion ein Zeichen: Städte können mehr sein. Sie sind Lebensräume für alle. Die Stadt gehört nicht nur den Autos – sie gehört uns allen.

Ali Haji, Felix Haußmann, Till Müller-Haude, Nicole Epple, Nickolas Kessmeyer, Thomas Lesch, Niclas Lindesmann, Sandra Schlegel, Arzum Coban, Dominic Plag, Daniel Voigt

 

Stadtregal

 

Das Stadtregal ist ein städtebauliches Experiment zur demokratischen Gestaltung des öffentlichen Raums. Im Zuge der Mobilitätswende rückt der Mensch wieder ins Zentrum der Planung – weg von der autogerechten Stadt. Flächen, die bislang Autos vorbehalten waren, werden frei und eröffnen neue Nutzungsmöglichkeiten. Doch wem gehören diese Flächen – und wer bestimmt ihre Zukunft?

Das Stadtregal bietet als modulares Stadtmöbel eine Plattform für genau diese Aushandlung. Es schafft Raum für Begegnung, Austausch und Konfliktmoderation. In seiner offenen Struktur vereint es Funktionen wie Küche, Schlafplatz, Lastenradverleih, Medikamentenschrank und Foodsharing-Station – getragen von zivilgesellschaftlichen Netzwerken.

So wird das Stadtregal zum Werkzeug für soziale Gerechtigkeit und zur Bühne für die Frage: Wem gehört die Stadt? Es fordert dazu auf, öffentliche Flächen neu zu denken, Beteiligung zu ermöglichen und Interessenkonflikte gemeinsam zu verhandeln – auf Augenhöhe.

Lehrteam

 

Prof. Dr. Martina Baum

Hanna Noller

Sebastian Klawiter

Lehrstuhl Städtebau und Entwerfen
Prof. Dr. Martina Baum